Warum habt Ihr das Thema Klimagerechtigkeit gewählt?
Die Themenwahl verläuft bei uns immer in einem Prozess. Unmittelbar nach einer Theaterproduktion fragen wir uns vom Leitungsteam, was wir als nächstes machen könnten. Das Klimathema hatten wir schon länger auf dem Radar, aber wir trauten uns nie so recht daran. Dieses Mal fanden wir, es ist jetzt wirklich überfällig, das zu bringen. Die Kirche muss zu solchen Themen doch etwas sagen. Wir sind ein politisches Theater und fühlen uns der Bewahrung der Schöpfung verpflichtet. Das steht auch explizit so in unseren Grundsätzen.
Gibt es nicht langsam einen Überdruss bei diesem Klimathema?
Nein, im Gegenteil! Vor der Pandemie war das Thema gross, das stimmt, aber dieses Jahr ist in der öffentlichen Diskussion nicht viel gelaufen, gerade auch im Kulturbereich. Es mag vielleicht so eine Grund-Awareness geben, aber sonst sehe ich wenig, was direkt passiert. Übrigens: dieses nicht-biblische Thema schlägt sich in den Reservationen nieder – so viele hatten wir sonst zum gleichen Zeitpunkt noch nie.
Auf dem Flyer sticht das Wort «Greta» gross und rot hervor. Wie wichtig ist sie in eurem Stück?
Zuerst stand das Oberthema «Widerstand». Wir hatten gesehen, dass 2021 das 100. Geburtsjahr von Sophie Scholl wird. Zu Sophie Scholl machten wir aber bereits ein Stück. Also überlegten wir uns, wo heute Widerstand geleistet wird. Da wir fanden, das treffe auf die Klimastreikbewegung zu, luden wir Klimastreikende ein und diskutierten mit ihnen über das Thema.
Und der Schritt zu Greta?
Für ein Theaterstück muss man irgendwann konkret werden, und da tauchte dann plötzlich diese Geschichte von Greta auf. Greta ist eine Identifikationsfigur und polarisiert auch wahnsinnig. Allmählich wurde immer klarer: das ist perfekt für ein Theaterstück.
Aber im Stücktitel kommt sie ja gar nicht vor.
Doch, eigentlich schon: Da steht «genug geredet» – Greta Thunberg ist jemand, der nicht redet. Sie hat Mutismus, sie kann nicht mit fremden Leuten sprechen.
Sie hat immerhin vor der UNO-Vollversammlung gesprochen.
Im Kampf für ihre Sache, dem Engagement für das Klima, gelingt es ihr, ihren Mutismus zu überwinden. Trotzdem, sie ist eine leise Person. Die Medien haben sie dann zu etwas anderem gemacht.
Was fasziniert dich selbst an Greta Thunberg?
Ich finde, sie ist ein extrem inspirierender Mensch. Sie hat vieles verstanden, was die allermeisten Menschen noch nicht verstanden haben. Dass sie die Dinge schwarz-weiss sieht und so benennt, ist in dieser Krise vielleicht auch eine Chance, denn in dieser Sache gibt es kein «Ja, aber». Entweder tun wir etwas oder wir tun nichts.
Und ihr tut jetzt etwas. Kann man mit Theater die Welt verändern?
Das weiss ich nicht. Ich würde das nicht zu hoch hängen. Wir wollen selbstverständlich die Leute zum Nachdenken bewegen und sie, wenn möglich, auch emotional berühren. Vielleicht halten sie dann etwas inne und überlegen sich: „Ja, möglicherweise kann ich wirklich nicht einfach immer so weitermachen.“ Und eben, das Thema muss endlich wieder auf die Tagesordnung.
Was kann man in der Kirche mit Theater besser vermitteln als mit Predigen?
Ich kann einfach sagen, warum wir kirchliches Theater machen. Man kann mit einem solchen Projekt sehr viele und verschiedene Menschen integrieren. Wir sind ja nicht nur ein Kinder- und Jugendtheater, sondern ein generationenübergreifendes. Aber auch sonst: Jede*r, die*der etwas machen möchte, kann irgendetwas beitragen. Auf jeder Ebene werden Talente gebraucht: beim Entwerfen der Flyer, bei Kulissenbau und Theatertechnik, beim Spielen natürlich oder beim Rahmenprogramm. Bei einem solchen Projekt kannst du die verschiedensten Leute zusammenführen.
In den letzten Monaten kam aus der Politik wiederholt der Vorwurf, die Kirche würde zu sehr direkt politisch in Erscheinung treten. Es ist die Rede davon, der Kirche Steuergelder zu entziehen. Wie schätzt du diese Angriffe ein?
Das mit der Kirchensteuer ist die eine Frage und ob die Kirche politisch sein soll oder darf, ist eine andere.Die Kirche war immer schon politisch und wenn sie es nicht mehr ist, hat sie für mich keine Daseinsberechtigung mehr. Wenn man sich die biblischen Texte anschaut, gerade die Evangelien, dann sieht man, dass die hochgradig politisch sind. Wenn man als Kirche auf diesem Text aufbaut, kann man doch nicht sagen, man sei nicht politisch! Wir sind doch kein Wohlfühlverein, wo man nur hingeht, damit es einem seelisch gut geht. Die Kirche muss sich konsequent auf die Seite der Armen und Schwachen stellen, und das ist politisch per se.
Die Produktion trägt ja den Untertitel «Eine Demo fürs Klima» – geht’s auch raus auf die Strasse?
Vielleicht so viel: Unser Ziel ist es, das Theater auch etwas von der Bühne zu bringen, also auch in den Zuschauerraum zu gehen. Aber wie wir das genau machen, verrate ich hier natürlich nicht.
Interview: Johannes Künzler, Probenfoto: Lorenz Jost/zVg
«Genug geredet, steht jetzt auf! – Eine Demo fürs Klima» hat am Sonntag, 31. Oktober um 17 Uhr im Kirchgemeindehaus Johannes in Bern Premiere. Weitere Vorstellungen jeweils von Freitag bis Sonntag bis zum 14. November. Anfangszeiten und weitere Informationen sind zu finden im Flyer.
► Hier kann man Reservationen für Einzelkarten und für ganze Gruppen vornehmen.
Das Theaterensemble Johannes unterstützt jeweils Projekte von Mission 21 in Nigeria. Ein Teil des Erlöses aus dieser Produktion fliesst in die Arbeit für Klimaschutz von Mission 21 in Nigeria. Mehr erfahren