Welche Entwicklungen haben zur weltweiten Ernährungskrise geführt? Ist biodiverse, nachhaltige lokale Landwirtschaft eine Lösung gegen die aktuelle Ernährungskrise? Und wie kann diese Art Landwirtschaft gestärkt werden? Antworten auf diese Fragen gaben drei Fachleute aus Afrika, Europa und Lateinamerika, im Webinar von Mission 21 zum Thema Ernährungskrise und (neo-)koloniale Nahrungssysteme.
Die Zahl der Hungernden steigt dramatisch: 2023 litten 733 Millionen Menschen an Hunger, insbesondere in ländlichen Regionen Afrikas und Lateinamerikas. Gleichzeitig werden weltweit mehr als 900 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet. Am Webinar vom 22. Oktober 2024 nahmen die Expert*innen Joyce Brown, Mario Enriquez Ralde und Dr. Elisabeth Bürgi teil. Sie waren sich einig, dass diese Krise eng mit kolonialen Handelsstrukturen und ungleichen Machtverhältnissen verbunden ist. Dr. Elisabeth Bürgi hob hervor, dass der internationale Agrarhandel immer noch von den Machtverhältnissen der Kolonialzeit geprägt sei: Geltende Tarifungleichheiten würden wohlhabende Länder begünstigen und produzierende Länder des Globalen Südens benachteiligen.
Ernährungssouveränität durch lokale Landwirtschaft
Joyce Brown, Aktivistin für Ernährungssouveränität in Nigeria, betonte, dass insbesondere ländliche Regionen in Nigeria von der Hungerkrise betroffen seien, da steigende Lebensmittelpreise den Zugang erschweren. Zudem verschärft die Klimakrise das Problem: Unvorhersehbare Wetterbedingungen führen sowohl zu Überschwemmungen als auch zu extremer Trockenheit, was die landwirtschaftliche Produktion beeinträchtigt. Auf gesellschaftlicher Ebene sei es wichtig, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen: In Nigeria gibt es zum Beispiel Regionen, in denen Frauen kein Land besitzen dürften – dies müsse geändert werden.
Mario Enriquez Ralde, Experte für Agrarökologie aus Bolivien, berichtete, dass auch in Bolivien immer weniger Menschen Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln haben. Die Landwirtschaft leide unter Wassermangel und dem Klimawandel, was die Produktion von Grundnahrungsmitteln wie Quinoa erschwert. Der Staat zudem fördere den exportorientierten Anbau, etwa von Soja. Zur Ernährungssicherung trage aber vor allem die lokale, nachhaltige Landwirtschaft bei, und diese müsse gefördert werden.
Nachhaltige Lösungen und Handlungsbedarf
Auch Dr. iur. Elisabeth Bürgi Bonanomi, die an der Universität Bern Recht und nachhaltige Entwicklung unterrichtet, sprach sich für eine Förderung biodiverser, lokaler Produktion aus. Dazu sei auch eine Anpassung schweizerischen Rechts nötig. Die Schweiz müsste für den Import nachhaltig und fair produzierte Waren begünstigen.
Elisabeth Bürgi betonte die Notwendigkeit, den regulatorischen Rahmen des internationalen Handels zu reformieren und faire Handelspraktiken zu fördern. Sie verwies auf Fortschritte wie das Fair-Trade-Gesetz in Frankreich, wies jedoch darauf hin, dass weltweit noch ein weiter Weg zu einer fairen und nachhaltigen Landwirtschaft vor uns liege. In dieser Einschätzung herrschte in der Runde ebenfalls Einigkeit. Alle drei Expert*innen plädierten dafür, Ernährungssouveränität durch biodiversitätsfreundliche, nachhaltige lokale Landwirtschaft zu stärken.
► Das Webinar „Was hat die Ernährungskrise mit (neo)kolonialen Nahrungssystemen zu tun?“ in der Reihe „Mission-Colonialism Revisited“ bot wertvolle Impulse zur Bekämpfung der globalen Ernährungskrise und zur Schaffung einer gerechten, nachhaltigen Zukunft. Die komplette Aufzeichnung kann hier angesehen werden.
► Unsere aktuelle Kampagne „Voneinander lernen, nachhaltig leben“