Das Interesse war gross: Auch wenn das Frauenparlament verschoben werden musste und trotz der Einschränkungen aufgrund der Corona-Situation, trafen sich am Sonntag, 29. August, über 50 Frauen aus fünf verschiedenen Religionsgemeinschaften im Haus der Religionen in Bern. Hier setzten sie sich einen Tag lang mit dem Thema Selbstfindung auseinander. Organisiert wurde der Anlass vom Team Interreligiöses Frauenparlament, bei dem auch Mission 21 im Rahmen der Arbeit für Gender-Gerechtigkeit mitwirkt.
Vier Referentinnen aus unterschiedlichem religiösem Kontext brachten am Vormittag Inputs zum Thema ein. Dabei zeigte sich, dass trotz unterschiedlicher Herkunft Gemeinsamkeiten in individuellen Biografien festzustellen sind. In Workshops am Nachmittag wurden diese Erfahrungen vertieft diskutiert und Forderungen für den Umgang mit dem Thema in der Gesellschaft formuliert.
Selbstfindung in der neuen Realität
Selbstfindung hat für Frauen aus religiösen Familien, die als Migrantinnen in die Schweiz kamen, eine besondere Bedeutung. Die erste Migrationsgeneration, oft auf der Flucht vor kriegerischen Auseinandersetzungen in ihren Ländern, suchte in der Schweiz ein Auskommen für ihre Familien, diejenige in der Schweiz und die zurückgebliebene in ihrer Heimat.
Viele Träume der Frauen und Männer zerbrachen an den harten Realitäten der neuen Gesellschaft. Für etliche wurde ihre Religionsgemeinschaft ein Ort der «Heimat in der Fremde». Ihre Religion und ihre Kultur vermittelten sie an ihre Kinder weiter. Diese Secondas wachsen in verschiedenen Kulturen auf. Sie wollen in liebevoller Loyalität zu ihren Eltern deren Werte achten, sind aber auch in der «schweizerischen» Kultur heimisch.
Junge Frauen zwischen Tradition und pluraler Gesellschaft
Gerade von Beginn der Pubertät an erleben die Mädchen Zerrissenheiten, welche den Identitätsprozess prägen. Dies wird verstärkt durch den Umstand, dass ihre Brüder oft anders, freier, erzogen werden. Durch diese intensive Erfahrung aber, darin liegt auch eine Chance, können Secondas, junge Frauen der zweiten Generation, zu Brückenbauerinnen in einer pluralen Gesellschaft werden. Das Parlament war sich einig, dass diese Ressource gesellschaftlich noch viel zu wenig anerkannt und eingesetzt wird.
Dieses Manko rührt auch daher, dass die Emanzipationsprozesse der jungen Frauen oft von der Gesellschaft kaum wahrgenommen werden, denn sie finden eher im Stillen statt. Auf diese Prozesse zu achten, Secondas in ihrer Entwicklung zu fördern, und sie verstärkt in die Aufarbeitung der Frauengeschichte in der Schweiz einzubeziehen, war eine einstimmige Forderung des interreligiösen Frauenparlamentes.