Religion und Entwicklung – ein ungleiches Paar?

Religion bringt uns immer wieder dazu, uns auf Menschen einzulassen, die anders denken, handeln und glauben. Foto Miriam Glass

Das Publikum war so international wie die Gruppe der Redner*innen: Rund 60 Teilnehmende wählten sich aus Belgien und Frankreich, aus der Schweiz und aus Nigeria, aus Grossbritannien, Kamerun, Costa Rica und Deutschland in die Zoom-Diskussion ein, die Mission 21 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Dialog International“ durchführte.

Unter dem Titel „Religion und Entwicklung – ein ungleiches Paar?“ diskutierten Elisabeth Cook, Professorin und Rektorin der Lateinamerikanischen Bibeluniversität UBL in Costa Rica, Bouba Mbima, Professor und Rektor der Protestantischen Universität von Zentralafrika PUCA in Kamerun und Jens Köhrsen, Professor für Religion und Wirtschaft an der Universität Basel.

Religion motiviert und mobilisiert

Im Zentrum stand die Frage, ob Religion zur Entwicklung eines Landes oder einer Gesellschaft beitragen kann, oder ob sie Entwicklung eher hemmt. Die Referierenden waren sich einig, dass Religion und Entwicklung keine Gegensätze darstellen müssen. Religion könne in vielen Bereichen eine Ressource darstellen, insbesondere in Ländern, in denen sie ohnehin zum Alltag fast aller Menschen dazu gehöre. „Religion bringt Menschen zusammen, sie motiviert und mobilisiert“, sagte Elizabeth Cook. Religion könne ein Netzwerk bieten, Gemeinschaft und Glaubwürdigkeit, da waren sich die Referierenden einig. Auch negative Aspekte von Religion wurden genannt, zum Beispiel Fundamentalismus.

Was bedeutet „Entwicklung“?

Rasch wurde jedoch deutlich, dass die Rolle der Religion für Entwicklung nur beleuchtet werden kann, wenn man sich darüber klar wird, was unter Entwicklung zu verstehen ist. Ist ein linearer Prozess mit einem klar definierten Ziel gemeint, das global zu erreichen ist? Oder müssen die Kriterien für Entwicklung je nach Kontext angepasst werden?

Mit ihren Voten zeichneten die Redner*innen die Veränderungen im Verständnis des Begriffs „Entwicklung“ nach – von einem rein wirtschaftlich verstandenen Entwicklungsbegriff hin zu einer ganzheitlicheren Vorstellung, die neben wirtschaftlichen Kriterien auch Ziele wie Geschlechtergerechtigkeit, Frieden oder die Idee eines „guten Lebens“ (in Lateinamerika „buen vivir“) ins Zentrum stellt. Die „Agenda 2030“ der UNO steht für solch ein ganzheitlicheres Verständnis von Entwicklung, wobei auch dieses wieder kontrovers diskutiert werden kann.

Globale Ziele und lokale Interpretationen

Bouba Mbima aus Kamerun machte deutlich, dass die globalen Kriterien für ein „entwickeltes“  Land gerade in vielen Ländern in Subsahara-Afrika nicht dem Kontext entsprechen. „Entwicklung muss sich an unseren Kontext, unsere historische und soziale Realität und an unsere Kräfte anpassen“, so Mbima. Indikatoren für Entwicklung sollten länderspezifisch gewählt werden. Wobei dann auch in den Blick kommt, welche Rolle Religion in den jeweiligen Gesellschaften spielt.

Jens Köhrsen hielt fest: „Ich denke, wir brauchen beides. Globale Ziele, aber auch lokale Interpretationen. Und es ist wichtig, beim Erarbeiten von globalen Zielen auch die Menschen aus dem Weltsüden stärker zu involvieren als das bis jetzt der Fall ist.“

Die Diskussion endete nach 90 ausgefüllten Minuten – und hätte wohl noch lange weitergeführt werden können, da auch am Ende noch zahlreiche Fragen aus dem Publikum im Chat eintrafen.

Text: Miriam Glass, Mission 21

Die nächsten Veranstaltungen der Reihe ‚Dialog International Online‘ sind für den 28.10.2021 zum Thema Interreligiöse Friedensförderung sowie 24.11.2021 zum Thema ‚Recht auf Bildung für Mädchen und Frauen in Tansania‘ geplant. Reservieren Sie sich schon jetzt die Daten.

Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann ab dem 19. März 2021 nachgeschaut werden: ► Zu den Aufzeichnungen vergangener Veranstaltungen

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