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    Lateinamerika, Bolivien, Peru, Friedensförderung
    Gendergerechtigkeit

    Geschlechtsspezifische Gewalt überwinden – Selbstbestimmung und Gerechtigkeit fördern in den Anden

    Projektnummer: 400.1021

    Drohungen, Beleidigungen, Schläge: Über zwei Drittel der erwachsenen Frauen in Bolivien und Peru haben schon einmal eine Gewalterfahrung gemacht. Fast nirgends auf der Welt ist die Gewalt an Frauen und Mädchen so ausgeprägt wie in Lateinamerika. Insbesondere sexualisierte Gewalt ist weit verbreitet und betrifft Frauen, Kinder und Jugendliche.

    Sexualisierte Gewalt beeinträchtigt die körperliche und psychische Gesundheit der Betroffenen und hat immer wieder ungewollte Schwangerschaften und die Ansteckung mit Krankheiten zur Folge; und sie ist sogar Auslöser für Selbsttötungen. In Peru sind 92 Prozent der statistisch erfassten Opfer sexualisierter Gewalt weiblich. Und pro Jahr gebären mehr als 1’400 Mädchen, die jünger als 14 Jahre sind, ein Kind als Folge des Missbrauchs.

    Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen in Bolivien und Peru fördert Mission 21 die Gewaltprävention sowie psychosoziale und rechtliche Begleitung von Betroffenen von sexueller und häuslicher Gewalt. Es werden Kinder und Jugendliche in Bolivien sowie Mädchen, Frauen und Transgenderpersonen im Grossraum Lima (Peru) erreicht.

    Gemeinsam tragen wir zum Recht auf ein Leben frei von physischer und psychischer Gewalt bei und streben Geschlechtergerechtigkeit und friedliche Gesellschaften an.

    Dieses Projekt fokussiert seit 1. Januar 2025 die Aktivitäten auf Bolivien und Peru. Die Kooperation mit unseren Partnerorganisationen in Chile wurde beendet, aufgrund notwendiger stärkerer Fokussierung der Programmarbeit.

    Hintergrundinformationen

    In Sachen politischer Repräsentanz sind Frauen in Bolivien wie in Peru zwar präsent und es konnten in den letzten Jahren wichtige rechtliche Fortschritte für mehr Chancengleichheit erzielt werden. Trotzdem nehmen Femizide, Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt gegen Frauen, nonbinäre Personen sowie Kinder und Jugendliche in beiden Ländern zu.

    In Peru registrierten die Behörden 2023 insgesamt 146 Femizide und mehr als 140’000 Fälle von Gewalt gegen Frauen. Dabei waren rund 29’000, also etwa jede Fünfte von sexueller Gewalt betroffen.

    In Bolivien sah die Situation 2023 ähnlich aus. Es wurden 81 Femizide, 25 Kindermorde und 11’450 Anzeigen wegen sexueller Gewalt registriert.

    Die mangelnde Motivation der Behörden in beiden Staaten, sexualisierte Gewalt stärker zu bekämpfen, lässt sich an der hohen Anzahl der als verschwunden registrierten Frauen und Mädchen ablesen, die Jahr für Jahr wächst. Zwischen Januar 2018 und Juli 2021 verschwanden in Peru 46’762 Frauen und Mädchen, mehr als 60 Prozent waren minderjährig.Diese Fälle werden allgemein in Zusammenhang mit Menschenhandel, Zwangsprostitution, Zwangsarbeit sowie Organ- und Kinderhandel gebracht.

    Aktuell bieten 46 Frauenhäuser und rund 400 staatliche Notrufzentren in Peru Beratung und Schutz. Doch gemäss unserer Partnerorganisation Flora Tristán können sie die hohe Nachfrage von Frauen, die Schutz vor häuslicher Gewalt suchen, nicht gerecht werden.

    Frauen und Kinder mit Behinderungen werden aufgrund ihrer Einschränkungen deutlich öfters zur Zielscheibe von sexueller und sonstiger Gewalt als Menschen ohne Behinderungen.

    In Bolivien sind Menschen mit Behinderung mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert, was zu viel Armut, Gewalt, sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung führt. Es existiert zwar ein Rechtsrahmen, um Menschen mit Behinderung vor Gewalt zu schützen. Doch diese Normen weisen Lücken auf, und ausserdem sind sie sowohl bei den Betroffenen als auch bei den zuständigen Behörden kaum bekannt, so dass sie oft nicht angewendet werden.

    Die Studie unserer Partnerorganisation Machaqa Amawta zeigt, dass Übergriffe auf vulnerable Menschen in vermeintlich «sicherem» Umfeld stattfinden: in der eigenen Familie, der Schule oder einer Gesundheitseinrichtung. Bei vielen Fällen gibt es weder eine Anzeige noch eine Meldung, weshalb man von «unsichtbaren Opfern» spricht.

    In Bolivien und Peru scheitern Beschwerden oft am bürokratischen System oder an ungeschultem Personal, das keine Hilfe anbieten kann und will. So stellen Opfer den Nutzen einer Anzeige in Frage oder sehen davon ab. Wenn eine Anzeige erfolgt, werden die Betroffenen aber oft zu aussergerichtlichen Schlichtungen bewegt. Den Opfern wird so der Zugang zum Rechtssystem in der Praxis verweigert.

    Die wenigsten Täter müssen daher Sanktionen befürchten, nur gerade 10 Prozent der Anzeigen führen zu einer Verurteilung (Peru). Die statistisch erfassten Fälle sexualisierter Gewalt umfassen nur einen Teil – die Dunkelziffer dürfte hoch sein.

    Zielgruppen und Ziele pro Land

    Wir unterstützen die Projektarbeit von Partnerorganisationen, die das Recht auf ein Leben frei von physischer und psychischer Gewalt verfolgen und beharrlich an gesellschaftlichen und rechtlichen Reformen arbeiten, um eine geschlechtergerechte und friedliche Gesellschaft zu erreichen – gemäss den UN-Nachhaltigkeitszielen 5 und 16.

    Bolivien

    In Bolivien unterstützen wir unsere Partnerorganisation Machaqa Amawta in ihrer Arbeit an neun Schulen in La Paz (Anden) und Riberalta (Amazonas). Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung werden in regelmässigen Workshops altersgerecht zu sexualisierter Gewalt sensibilisiert und mit spielerischen Methoden darin gestärkt, Gefahren zu erkennen, Grenzen zu setzen und wo nötig Hilfe zu holen.

    Kinder lernen, was Erwachsene mit ihnen tun dürfen und was nicht. Sie lernen, Worte für ihre Geschlechtsteile zu finden – das ist auch in Bolivien tabubehaftet – oder den Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Berührung oder einem guten und einem schlechten Geheimnis zu erkennen.

    Unsere Partnerorganisation hat dafür eigenes pädagogisches Material entwickelt, das besonders auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen eingeht. Zudem werden Dozent*innen, die Schulleitung, wie auch interessierte Eltern zum Thema sensibilisiert und über die rechtlichen Schutzpflichten informiert. Zur Arbeit gehört auch die Begleitung der Schulen beim Erarbeiten einer Roadmap mit konkreten Handlungsanleitungen. Die Hauptzielgruppen der Projektarbeit gemeinsam mit Machaqa Amawta sind:

    • Schulkinder mit und ohne Behinderung aus den Städten La Paz und Riberalta
    • Eltern, Dozierende und Schulleitung aus öffentlichen und privaten Schulen in La Paz und Riberalta
    • Minderjährige Gewaltbetroffene und deren Familienangehörige erhalten psychosoziale Begleitung
    • Die Zivilgesellschaft wird durch regional- und national angelegte Öffentlichkeitskampagnen über geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt sensibilisiert, informiert und zum Handeln aufgefordert

    Peru

    Das Peruanische Frauenzentrum (PFZ) Flora Tristán ist eine feministische Partnerorganisation von Mission 21, die sich seit mehr als 45 Jahren für die Verteidigung der Rechte der Frauen in ihrer ganzen Vielfalt einsetzt – Insbesondere das Recht auf ein gewaltfreies Leben und die Förderung der Geschlechtergerechtigkeit. In ihrem Tätigkeitsgebiet sensibilisieren sie Vollzugsbehörden und führen im öffentlichen Raum lautstarke Protestaktionen durch, um die Bevölkerung über Missstände zu informieren und gegenüber den Behörden zum Handeln zu bewegen.

    Diese feministisch geprägte Öffentlichkeitsarbeit unterstützt Opfer und Angehörige von geschlechtsspezifischer Gewalt und dient als Strategie zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit.

    Mission 21 unterstützt das PFZ Flora Tristán mit ihrer Arbeit in zwei Regionen, dem Einzugsgebiet der Hauptstadt Lima und dem ländlichen Raum in Cusco.

    Flora Tristán in Lima

    • Opfer von sexueller Gewalt und Menschenhandel aus dem Grossraum Lima erhalten durch Flora Tristán juristische und nach Bedarf psychosoziale Beratung und Begleitung.
    • Im Grossstadtbezirk San Juan de Lurigancho wird eine Gruppe von 18 jungen juristischen Beraterinnen unterstützt, die Fälle von sexualisierter Gewalt in ihrem Stadtbezirk dokumentieren. Sie beraten Opfer und Interessierte rechtlich helfen, Fälle zur Anzeige zu bringen. Die Frauen engagieren sich in ihrem Stadtbezirk auch in der Umsetzung von Kampagnen zur Vorbeugung sexualisierter Gewalt und Sensibilisierung der Öffentlichkeit.
    • Die «Strategische Prozessführung» als juristische Strategie wird umgesetzt, um Gesetzesänderungen, sowie Änderungen im Vollzug zu erreichen. Dies kommt vulnerablen und gefährdeten Bevölkerungsgruppen zugute.

    PFZ Flora Tristan in Cusco

    Unsere Partnerorganisation kombiniert in den Andengemeinden die Prävention vor sexualisierter Gewalt mit Strategien zur Einkommensförderung und politischen Beteiligung von Frauen mittels agrarökologischem Landbau.

    Frauen werden zu Wissensträgerinnen für die Nahrungssicherheit und generieren Einkommen für ihrer Haushalte und Dorfgemeinschaften. So können sie einerseits ihren Entscheidungsspielraum innerhalb des Haushalts erweitern. Andererseits werden sie auf Gemeindeebene als Schlüsselfiguren in der Anpassung an den Klimawandel gesehen, und die männliche Bevölkerung räum ihnen mehr Mitsprachemöglichkeiten ein.

    Die Hauptzielgruppe der Projektarbeit umfasst ab 2025:

    • 30 Kleinbäuerinnen der Vereinigung der ökologischen Produzent*innen von Quispicanchi (APPEQ) aus den Gemeinden Huasao, Muñapata und Patabamba; diese werden zu Multiplikatorinnen ausgebildet
    • Die Multiplikatorinnen beraten 300 Kleinbäuerinnen und -bauern (70 Prozent Frauen, 30 Prozent Männer) aus den Gemeinden Huasao und Muñapata in Agrarökologie und schulen und sensibilisieren sie dabei zu den Themen Menschenrechte und Geschlechter-Gleichstellung und Agrarökologie.
    • Behördenvertreter wie Bürgermeister, Gemeinderäte und Verantwortliche für soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Sie werden geschult, um durch ihre institutionellen Kompetenzen das traditionelle Rollenverständnis für Frauen aufzubrechen und Frauen den Zugang zu Ressourcen zu ermöglichen und ihr Recht auf ein Leben ohne Gewalt zu gewährleisten.

    Casa DEI in Costa Rica Die Kooperation mit der «Casa Dei», der Unterkunft für verfolgte Menschenrechtsaktivist*innen aus ganz Lateinamerika, in Costa Rica wird in einem eigenen Projekt weitergeführt, gemeinsam mit unserer Partnerorganisation, dem Ökumenischen Forschungs- und Ausbildungszentrum DEI. Es trägt die Projektnummer 400.1020.

    Projektfortschritte 2022-2024

    Peru, Cusco – PFZ Flora Tristán

    Die Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt findet in den Andengemeinden in Kombination mit Strategien zur Einkommensförderung mittels Agrarökologie statt. Die wirtschaftliche Stärkung der Frauen ermöglichte, dass engagierte Frauen verschiedene gesellschaftliche Gruppen zum Thema informieren und sensibilisieren konnten.

    • 25 Kleinbäuerinnen der Gemeinde Patabamba wurden zu Multiplikatorinnen in der Vorbeugung von sexueller Gewalt ausgebildet.
    • Mehr als 1500 Gemeindemitglieder aus ruralen Dorfgemeinschaften in der Region Cusco wurden durch die Multiplikatorinnen über sexualisierte Gewalt sensibilisiert und in Methoden der Vorbeugung aufgeklärt; sie kennen die staatlichen Anlaufstellen um sexualisierte Gewalt anzuzeigen.
    • Der lokale Polizeiposten sowie das Frauennotfallzentrum können sensibel und professionell mit Gewaltopfern umgehen; 60 Beamte erhielten regelmässige Schulungen.
    • Es wurden jährlich audiovisuelle Kampagnen in Quechua umgesetzt zur Sensibilisierung in indigenen Dorfgemeinden. Die Inhalte wurden auch über lokale Radios und gedruckte Medien verbreitet.
    • 25 Frauen wurden auch zu Expertinnen und Multiplikatorinnen in agrarökologischem Landbau ausgebildet.

    La Paz & Riberalta, Bolivien – Machaqa Amawta

    • Über 1200 Schulkinder, 600 Lehrpersonen und Eltern wurden zum Thema genderbasierte und sexuelle Gewalt geschult und sensibilisiert.
    • Über 200 Staatsangestellte wurden ausgebildet, die beruflich mit Gewaltopfern zu tun haben.
    • 70 Gewaltbetroffene wurden begleitet. Bei gut der Hälfte von ihnen konnte die Gewaltspirale nachweislich unterbrochen werden. Weitere Kinder und deren Eltern werden weiterhin begleitet und betreut.
    • Machaqa Amawta hat in den letzten drei Jahren zudem verschiedene national angelegte Sensibilisierungskampagnen durchgeführt, mit Präsenz in Radio und Fernsehen sowie sozialen Plattformen.
    • Machaqa Amawta hat in Zusammenarbeit mit dem Büro der UN Women in Bolivien die Studie «Gewalt und Behinderung bei Mädchen und Frauen: eine verborgene Realität» veröffentlicht (Dez. 2024).

    In folgendem Film „Strategische Prozessführung gegen Gewalt an Frauen“ gibt unsere Partnerorganisation Flora Tristan einen Einblick in die rechtliche Begleitarbeit einer Familie deren Tochter Opfer eines Femizides wurden und auf der Suche nach Gerechtigkeit ist.

    strategische prozessführung

    Zum Podcast «Stimmen der Hoffnung», Folge 6 «Kämpferische Mütter und Vater von El Alto» zur Arbeit unseres Partners Machaqa Amawta

    podcast kämpferischemütter

    Karte

    Peru

    34 Millionen Einwohner*innen (2023)
    146 Femizide, 28’991 Fälle sexueller Gewalt, 5380 verschwundene Mädchen und Frauen (2023)

    Bolivien

    11,3 Millionen Einwohner*innen (2024)
    81 Femizide, 25 Kindermorde, 11’450 Anzeigen wegen sexueller Gewalt (2023)

     

    Projektbudget 2025

    CHF 186’300

    jannet villanueva

    Jannet Villanueva

    Koordinatorin Lateinamerika (Bolivien und Peru)

    jacqueline

    Jacqueline Brunner

    Teamleitung Kirchliche Partnerschaften

    Tel. 061 260 23 37
    ► E-Mail

    Golda Fuentes

    Programm- & Teamverantwortliche Lateinamerika
    Tel: +41 (0)61 260 22 69
    ► E-mail

    Hoffnung dank Ihrer Unterstützung

    Mission 21
    Evangelisches Missionswerk Basel

    Postfach 270
    Missionsstrasse 21
    4009 Basel, Schweiz
    Tel.: +41 (0)61 260 21 20
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