Nur wenige Jahre nach der Unabhängigkeit des christlichen Südsudans vom muslimischen Norden war der Frieden vorbei: Seit 2013 wütet ein blutiger, machtpolitisch aufgeladener Bürgerkrieg im jüngsten Staat der Welt. Dabei werden Ethnien instrumentalisiert und gegeneinander aufgehetzt. Die Kirche ist die einzige Institution, die noch das Vertrauen der Bevölkerung geniesst und die unterschiedlichen Ethnien verbindet.
Auf diesem Potential der Kirche als Friedensstifterin lag der Fokus der Veranstaltung am 22. Juni im Missionshaus. Im Südsudanesischen Kirchenbund haben sich die Kirchen des Landes ökumenisch vereint und den Aktionplan für den Frieden erarbeitet. Dieser fördert den Frieden neben Versöhnung- und Traumaarbeit auch mit Advocacy- und Capacity-Building-Massnahmen auf verschiedenen Ebenen und bringt die verfeindeten Ethnien wieder zusammen.
Volle Sitzreihen
Der Aktionsplan gilt als vielversprechend und wird auch von grossen internationalen Akteuren unterstützt. Doch die Lage ist prekär. Wie viele Menschenleben der Konflikt bislang gefordert hat, lässt sich nicht genau beziffern; es sind wohl über 300’000. Weitere 3,6 Millionen Menschen sind auf der Flucht. In solch einem Kontext lässt sich das Wort „Frieden“ nur vorsichtig in den Mund nehmen. Das betonte auch Heidi Zingg Knöpfli von Mission 21, die als Moderatorin durch den Abend führte: „Nach den folgenden zwei Stunden werden wir keine Lösung kennen, aber hoffentlich etwas mehr wissen.“
Das Interesse für die Veranstaltung war gross, in letzter Minute wurden noch zusätzliche Stühle aufgestellt. Gut 40 Interessierte, Unterstützende sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mission kamen, um den prominenten Referenten zuzuhören. Ruedi Küng machte mit einem Abriss der Geschichte und Entwicklung des Konflikts den Anfang. Der ehemalige Redaktor für internationale Politik beim Schweizer Fernsehen und Radio SRF sowie Delegierte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz berichtet heute mit seiner eigenen Webseite «InfoAfrica.ch» unvoreingenommen über Afrika.
Wirtschaftliche Interessen als Hürden für Frieden
Ferdinand von Habsburg-Lothringen ist Senior Berater für die Friedens- und Versöhnungsarbeit des Südsudanesischen Kirchenbundes, angestellt vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Er arbeitet seit 22 Jahren im südsudanesischen Kontext sowie in Konflikt- und Postkonfliktländern (davon neun Jahre mit der UNO). Zu Beginn seines Referats entschuldigte sich der gebürtige Schweizer für seine mangelhaften Sprachkenntnisse: „Ich bin schon so lange im Ausland, dass mein Deutsch wirklich sehr schwach ist.“
Und doch fand der Referent die passenden Worte – und diese beeindruckten durch grosses Engagement, eine tiefe Kenntnis des Konflikts und die offenkundige Nähe zur lokalen Bevölkerung: „Ich bin mit einer Südsudanesin verheiratet, wir haben vier Kinder. Dadurch erlebe ich aus nächster Nähe, was es auch im Alltag bedeutet, zu einer bestimmten Ethnie zu gehören.“
Ein verletztes Volk sucht den Frieden
Eine der grössten Herausforderungen sieht er in den mehrfachen Kriegstraumata der Bevölkerung: „Jeder einzelne Mensch im Südsudan hat so viele Verletzungen, seelisch oder körperlich. Das macht es extrem schwierig, einen friedlichen Konsens zu finden.“ Politisch gesehen seien die wirtschaftlichen Interessen unterschiedlicher Akteure am ölreichen Südsudan eine der grössten Hürden für den Frieden.
Als letzter sprach der Südsudanese Peter Gai Lual Marrow, eine wichtige Persönlichkeit im Friedensprozess: Als Moderator der Presbyterianischen Kirche im Südsudan und Vorsitzender des Südsudanesischen Kirchenbundes spielte er eine entscheidende Rolle beim Friedensabkommen im Jahr 2015. Er betonte die Wichtigkeit internationaler Solidarität. Obwohl er als Moderator der drittgrössten Kirche des Südsudans eine enorme Last zu tragen hat, sind es Worte ohne Groll, die er an das Publikum richtete.
Und doch machte er deutlich, wie gross der Handlungsbedarf ist und wie wichtig jede Unterstützung: „Im Südsudan brauchen die Menschen jetzt Ihre Gebete, aber auch Essen, denn die Hungersnot ist schlimm.“ Diese Worte seien nicht nur als Spendenaufruf gemeint, sondern auch als Ausdruck von Dankbarkeit: „Viele der hier versammelten Menschen machen bereits etwas für den Frieden im Südsudan. Das bedeutet viel.“
Text und Fotos: Mara Wirthlin