Der katholische Priester und Philosoph James Oyet Latansio engagiert sich seit Langem für den Frieden im Südsudan – auch im Auftrag von Mission 21. Im Gespräch erzählt er von seinen eigenen Konflikterfahrungen und erklärt, warum man bei der Friedensförderung nicht nur auf Gott vertrauen kann.
Der Frieden im Südsudan ist fragil. ethnische Konflikte und Gewalt prägen das Leben der südsudanesischen Bevölkerung trotz des 2018 geschlossenen Friedensvertrages. Die Menschen im Südsudan leiden unter der autoritären Regierung, das Land wird von Überschwemmungen und Dürren heimgesucht. Dazu kommen seit 2023 die Auswirkungen des Krieges im Nachbarland Sudan.
Der frühere Generalsekretär des Südsudanesischen Kirchenbundes James Oyet Latansio arbeitet schon lange in der Friedensförderung. Aufgeben möchte er sein Engagement nicht – auch wenn er manchmal Zweifel an seiner Arbeit hat.
Father James, Sie sind auf dem Weg nach Rom und wollen dort mit der Gemeinschaft von Sant’Egidio den Friedensprozess im Südsudan vorantreiben. Was sind Ihre konkreten Pläne?
2018 haben wir im Südsudan ein Friedensabkommen unterzeichnet. Es gab aber einige Gruppen von Menschen und Parteien, die dieses Abkommen nicht unterschreiben wollten. Sie werden als «Holdout-Gruppen» bezeichnet, die sich im Moment in Kenia aufhalten.
Mit der Gemeinschaft Sant’Egidio wollen wir nun in Kenia zu vermitteln helfen, damit zwischen der Regierung und den Holdout-Gruppen ein Dialog entstehen kann. Denn woher soll der Frieden kommen? Ich glaube nicht, dass der Frieden vom Himmel kommen wird. Gott benutzt die Menschen, die hier auf der Erde sind.
Es ist beeindruckend, wie intensiv und wie lange schon Sie sich für den Frieden einsetzen. Werden Sie manchmal auch müde?
Ich arbeite schon lange am Friedensaufbau. Manchmal frage ich mich: Wo ist das Problem? Mache ich es richtig? Bin ich auf dem richtigen Weg?
Aber ich gebe die Arbeit nicht auf. Ich denke an Kinder und Mütter in den Fluten, an Vertriebene. Sie sollen zurückkehren und in Frieden leben, in ihren Gärten arbeiten können. Daran arbeiten wir mit Mission 21.
Ich möchte trotz der Herausforderungen positiv denken. Denn wenn man aufgibt, wohin soll man dann gehen?
Father James redet nicht nur in der Theorie von Konflikten. Er selbst und seine Familie haben Flucht- und Gewalterfahrungen im Südsudan gemacht. Foto: Mission 21
Welche Konflikterfahrungen haben Sie in Ihrer eigenen Biografie gemacht?
Ich wurde im heutigen Südsudan geboren, bin dort aufgewachsen, und musste auf der Suche nach Sicherheit mehrmals fliehen. Eine Landmine, die ein junger Mann gelegt hatte, hätte mich töten sollen. Aber sie hat nur mein linkes Bein zerstört. Der Mann, der den Sprengkörper gelegt hatte, kam an mein Krankenhausbett und bat mich um Vergebung. Zuerst war ich in Bitterkeit gefangen. Dann aber dachte ich: Wenn ich in dieser Bitterkeit bleibe, werde ich keinen Frieden mit mir selbst haben. Ich habe dem Mann vergeben.
Auch das Leben meiner Familie ist von den Konflikten geprägt. Meine Mutter, einige meiner Schwestern und Tanten wurden vergewaltigt. Sie sind traumatisiert.
In diesem Zusammenhang kann ich mir vorstellen, dass es sehr schwierig ist, zu vergeben – aber gerade das soll geschehen, um Frieden zu schaffen. Wie macht man das, bei traumatischen Erlebnissen nicht immer an die Vergangenheit erinnert zu werden?
Im Südsudan gibt es immer noch ein kulturelles Tabu rund um genderbasierte Gewalt. Frauen, die vergewaltigt wurden, werden geächtet. Darum ist es wichtig, darüber zu reden. Wir ermutigen die Frauen, ihr Trauma auszusprechen, damit man ihnen helfen kann, sich zu befreien und Frieden zu finden. Aber auch mit den Tätern müssen wir uns auseinandersetzen. Auch Gewalttäter können ein Trauma erleben. Und auch diese Menschen müssen wir erreichen.
Father James OyetIm Südsudan gibt es immer noch ein kulturelles Tabu rund um genderbasierte Gewalt.
Wohin entwickelt sich der Südsudan?
Nachdem die Wahlen 2024 verschoben wurden, sollten sie in zwei Jahren stattfinden. Dann sollte das Volk seine eigene Regierung auf demokratischem Weg wählen können. Darauf hoffen und dafür beten wir.
Das Gespräch führte Emilie Buri.