Dieses Bild mit dem Titel «Accra/Canoe Crew mit H. Fleischhammer» aus dem Jahr 1911 fand in Publikationen über die Basler Mission schon öfter Verwendung. In der Mitte posiert der Angestellte der Basler Missionshandelsgesellschaft Franz Emil Fleischhammer in lässiger Haltung, mit weissem Hemd, weissen Schuhen und einer Zigarette in der Hand. Um ihn herum sind zwölf Einheimische gruppiert. Der Gegenstand, den einer der Männer wie eine Trophäe in der Hand hält, ist ein Paddel, wie es von den einheimischen Ruderern an der Goldküste (dem heutigen Ghana) benutzt wurde, wenn sie mit grossen Kanus Güter zwischen den Hochseeschiffen und der Küste transportierten. Es war eine äusserst anstrengende Arbeit, die zentnerschweren Lasten im Dienst der europäischen Handelsgesellschaften über die Uferbrandung zu bringen.
Symbolisch im Einsatz für die Schweiz
Auffallend an dem Bild ist vor allem die Kleidung der einheimischen Kanuten: Barfuss, mit unterschiedlichen Kopfbedeckungen, langen Hosen und langärmligen Trikots, auf der Brust aufgenäht ein Schweizer Kreuz. Die Schweiz besass bekanntlich keine eigenen Kolonien. Trotzdem verhielten sich Vertreter von Schweizer Organisationen gemäss dem damaligen (europäischen) Zeitgeist und unternahmen Anstrengungen, um den Einheimischen die westliche Kultur überzustülpen.
Es ist anzunehmen, dass die Männer von der Goldküste die T-Shirts mit dem fremden Emblem nicht freiwillig trugen. Die Kanuten waren zwar «nur» für eine Handelsgesellschaft, aber damit symbolisch für die Schweiz im Einsatz.
Offenbar unternahmen die Vertreter der Handelsgesellschaft analog zum Sport den Versuch, aus den Kanuten ein Team zu bilden. Auch damit bewegten sie sich im damaligen Zeitgeist. Im Februar 1905, nur ein paar Jahre vor der Entstehung dieses Bildes, fand der erste Auftritt einer Schweizer Fussballnationalmannschaft statt, an dem die Spieler das rote Trikot mit dem weissen Kreuz auf der Brust trugen.
Das Bild mit den Kanuten, das zuerst amüsant wirken kann, hat einen kolonialen Kontext. Es ist nicht das Einzige in unserer Fotosammlung. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Missionsgeschichte und deren kolonialer Verflechtung ist Mission 21 ein wichtiges Anliegen. Wir führen regelmässig Webinare dazu durch.
Die nächste Veranstaltung: „Black Voices from the Archives“. ► Weitere Informationen
Videos der bisherigen Veranstaltungen online: ► www.mission-21.org/colonialism-revisited
Text: Patrick Moser, Mission 21